Zweifel in Permanentmarkern und Gedankenstrichen
Julika Bosch

Nico Pachalis Arbeit Compendium (welt) besteht aus  Zeichnungen und Notizen auf mobilen Karten, die er aus Transportklebeband anfertigt. Sie eröffnen einen Blick auf die Welt, der von einem hohen Bewusstsein für räumliche Verhältnisse und den sprachlichen Ausdruck geprägt ist: Im zweisprachigen Bedeutungsspektrum – auf Deutsch und Englisch – führt dessen Sprache hin zu erfundenen Alphabeten, abstrakten Schraffuren – vielleicht auch Gedankenstrichen? – und geometrischen Formen, die an Grundrisse und Schablonen erinnern. Auch das können letztlich Sprachen sein, um Bedeutungen und Zusammenhänge zu ergründen.

Das sprachliche und mathematische Vermessen des Raumes erscheint hier nicht in einem Sinne, wie es zu der Erschließung kolonialer Gebiete missbraucht wurde und ebenso wenig in der Verwendung, um einen vermeintlichen Fortschritt einer Gesellschaft zu verkünden – bei Pachali führt das Wort „Progress“ vielmehr zu einer vorsichtigen und tastenden Bewegung, die auch den Rückzug ermöglicht. Denn hier steht das Wort „Progress“ häufig in der Nähe von den Wörtern „Regress“ und „Decline“, welches Pachali dann zu durchdringen sucht, indem er es – dem Wortsinn entsprechend – dekliniert („Declination, Declination, Declination ...“), bis es mittels der Deklination ganz abstrakt wird und seine Bedeutung ablegt. Jedes „Abstecken“ bezieht sich zugleich auf das „Fragmentieren“ und „Loslösen“.  Ähnliches ließe sich über dessen Form sagen: Eine jede Karte lässt zugleich eine Rückseite erahnen, die in einer anderen Auslegung der Karten relevant sein könnte, obgleich diese in jeder Ausstellung sehr intentional platziert sind. Neben der Erweiterung der Paneele durch das Zusammenkleben einzelner Karten, ist auch die Faltung und die Komposition von Bedeutung. Sie bieten zugleich das Potential der weiteren Entfaltung (Progress) als auch eine Möglichkeit, des Rückzugs in sich selbst (Regress), sodass die Arbeit wohl schnell verstaut wäre (Decline).

Anstelle der inhaltlich komprimierten Verkürzung und dem lehrreichen, systematischen Überblick, wie sie in Compendien erscheinen, treten in dieser Serie Fragmente und ein Exzess an Wiederholungen in Erscheinung. Wie innere Gedanken wechseln die Textfragmente schnell zwischen rationalen und emotionalen Aspekten, semantischer und syntaktischer Wahrnehmung, ästhetischer, mathematischer und linguistischer Analyse. Im Lesen und Schauen auf die einzelnen Paneele des Compendiums kann man nicht nur das Denken eines Zeichnenden und Schreibenden verfolgen, sondern es überkommt einen ein gesteigertes Bewusstsein für das Prozessuale. Mit dem hier zugelassenen Zweifel lässt sich neuformieren, neu ordnen, neu denken, aufs Neue annähern.